LG Dortmund, Az: 2 O 275/11, Urteil vom 02.04.2015
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.693,11 EUR (in Worten: eintausendsechshundertdreiundneunzig 11/100 Euro) für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.01.2011, insgesamt also 22.010,43 EUR, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 21.09.2010 sowie weitere 1.085,04 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 01.02.2011 für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum 01.12.2023 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.693,11 EUR zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.01.2011 sowie über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ende der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum 01.12.2013 von der Bezahlung des Beitrages für die Risikoversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz (Versicherungsschein-Nr. 8592496) in Höhe von monatlich 63,90 EUR zu befreien.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von bis zu 110.000 EUR der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei dem Beklagten seit 1998 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Basis einer Risiko-Lebensversicherung, die im Versicherungsfall eine monatliche Rente und Beitragsbefreiung gewährt. Vereinbart ist die Leistungsstaffelung I (50 %). Der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsleistungen zu Grunde, auf die Bezug genommen wird.
Seit 2003 war der Kläger als Führer einer Straßenbahn bei der MVV Verkehrs-GmbH in 6-Tage-Wechselschicht beschäftigt. 2008 beantragte er bei dem Beklagten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Zuge der Leistungsprüfung schlossen die Parteien im August 2008 eine Vereinbarung, nach der sich der Beklagte ohne Anerkennung einer Rechts- oder Leistungspflicht bereit erklärte, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 01.11.2008 bis 31.12.2009 die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen. In der Vereinbarung ist ausdrücklich klargestellt, dass die vorübergehende Erbringung der Leistungen kein Anerkenntnis einer Berufsunfähigkeit oder Verzicht auf die Möglichkeit der Verweisung im Rechtssinne darstellt.
Nach dem 31.12.2009 lehnte der Beklagte weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung ab, weil er eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit für nicht erwiesen ansah. Der Kläger behauptet (fortbestehende) Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf über 2009 hinaus wegen orthopädischer, neurologischer und psychischer Beschwerden.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.693,11 EUR für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.01.2011, insgesamt also 22.010,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 21.09.2010 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 EUR zu bezahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 01.02.2011 für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis 01.12.2023, eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.693,11 EUR zu bezahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.01.2011 sowie über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ende der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis 01.12.2023 von der Bezahlung des Beitrags für die Risiko-Versicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz (Versicherungsschein-Nr. 8592496) in Höhe von monatlich 63,90 EUR zu befreien.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bestreitet bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Anspruchszeitraum. Mit Schriftsatz vom 12.11.2014 hat er ohne eine Berufsunfähigkeit anzuerkennen, vorsorglich das Entfallen der Leistungspflicht wegen Wiedererlangung der Berufsunfähigkeit mitgeteilt. Er behauptet dazu, dass der Kläger, der unstreitig seit April 2011 bis zu einem Unfall im Jahre 2014 wieder halbschichtig in seinem Beruf als Straßenbahnfahrer tätig gewesen ist, zu mehr als 50 % seinen Beruf wieder nachgehen könne, was der Kläger bestreitet.
Das Gericht hat zur Berufsunfähigkeit des Klägers und dessen möglicher Beendigung mehrere Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das orthopädische Gutachten des Privatdozenten Dr. E. sowie das neurologische/psychiatrische des Sachverständigen Dr. F. vom 11.11.2013 nebst Ergänzung vom 03.03.2014 und Erläuterung in den Terminen vom 23.10.2014 und 02.04.2015 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ein Anspruch auf die bedingungsgemäße Rente sowie Beitragsbefreiung von Haupt- und Zusatzversicherung zu, weil er nachgewiesen, dass er auch über 2009 hinaus im bedingungsgemäßen Ausmaß berufsunfähig war und die Beklagte nicht bewiesen hat, dass diese Berufsunfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder entfallen ist.
I.
Der Kläger hat aus der zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einen Anspruch auf die bedingungsgemäßen Leistungen in Form von Rente und Beitragsbefreiung.
1. Der Anspruch auf die bedingungsgemäßen Leistungen folgt nicht bereits aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung von August 2009, da diese Vereinbarung lediglich die Leistungsgewährung vom 01.11.2008 bis zum 31.12.2009 regelt und auch kein als unbefristet zu bewertendes Leistungsanerkenntnis des Beklagten enthält, da die Vereinbarung für den Kläger unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass die Leistungserbringung kein Anerkenntnis einer Berufungsunfähigkeit oder den Verzicht auf die Möglichkeit der Verweisung im Rechtssinne darstellt.
2. Der Leistungsanspruch folgt allerdings aus den vereinbarten allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen. Denn die Bedingungen regeln, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit u.a. dann vorliegt, wenn die versicherte Person mindestens 6 Monate außer Stande war, ihren Beruf oder eine Verweisungstätigkeit noch zu mindestens 50 % auszuüben. Diese Regelung einer sogenannten fiktiven Berufsunfähigkeit, bei der die auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum zu stellende Prognose durch die in der Vergangenheit liegende definierte Zeit einer tatsächlich eingetretenen Berufsunfähigkeit ersetzt/fingiert wird, erschließt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 2 der vereinbarten Bedingungen, der die Berufsunfähigkeit definiert. Denn danach liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person in Folge Krankheit … außer Stande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Daneben regelt § 1 in dessen Absatz 1, dass der Beklagte die vereinbarten Versicherungsleistungen erbringt, wenn die versicherte Person voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. In § 1 Abs. 4 wird zudem geregelt, dass die Anspruchstellung der versicherten Person umgehend erfolgen soll, wenn die 6-monatige Mindestdauer der Berufsunfähigkeit ärztlicherseits voraussehbar oder bereits eingetreten ist. In der Gesamtschau lassen diese, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht gerade eingängigen Regelungen zu bedingungsgemäßen Definition der Berufsunfähigkeit jedenfalls im Sinne der hier maßgeblichen, für den Versicherungsnehmer günstigsten Auslegungsvariante nur den Schluss zu, dass für die Feststellung der Berufsunfähigkeit nicht in jedem Fall eine 6-Monatsprognose des künftigen Verlaufs der Berufsunfähigkeit erforderlich ist, sondern der Versicherungsnehmer, wenn er in der Rückschau nachgewiesenermaßen 6 Monate dauernd außerstande war, seinen versicherten Beruf zu mindestens 50 % auszuüben, ebenfalls als berufsunfähig gilt (vgl. OLG Hamm, vom 23.03.2011 – 20 U 37/10 -; Landgericht Dortmund vom 04.12.2014 – 2 O 124/14 -).
a) Darauf abstellend, ist nach dem auf orthopädischem Sachgebiet erstatteten Gutachten des PD E. beim Kläger keine Berufsunfähigkeit eingetreten, da die orthopädischen Beschwerden den Kläger nicht daran hindern, seinen Beruf als Stadtbahnfahrer im Anspruchszeitraum noch zu mehr als 50 % auszuüben.
b) Nach dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. F. lag beim Kläger indes bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, weil er – wie behauptet – ab November 2008 zu mindestens 50 % außer Stande war, seinen Beruf als Stadtbahnfahrer über einen Zeitraum vom 6 Monaten auszuüben.
aa) Für die Beurteilung der Berufungsunfähigkeit ist abzustellen auf den Zeitpunkt, der vom Kläger behaupteten Berufsunfähigkeit im Jahre 2008. Zu diesem Zeitpunkt hat er Leistungen aus der Berufungsunfähigkeitsversicherung beantragt. Wenn die Berufsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt feststeht, kann der Beklagte den Gegenbeweis antreten, dass diese nicht mehr besteht oder der Kläger auf einen anderen Beruf verwiesen werden kann. Dagegen ist nicht entscheidend der Zustand des Klägers im Januar 2010, als die Befristung in der Vereinbarung der Parteien von August 2009 auslief, da sich der Beklagte nach Treu und Glauben auf die Vereinbarung insoweit nicht berufen kann, als sie den Prüfungszeitpunkt für die Berufsunfähigkeit auf das Jahr 2010 hinausschiebt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung den Parteien nicht verwehrt, die Leistungspflichten einvernehmlich zu regeln (BGH, VersR 2004, 96). Der Versicherer ist jedoch wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Für diesen hat die Berufsunfähigkeitsversicherung häufig existenzielle Bedeutung. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sind die dem Versicherer geläufigen Regeln in den vereinbarten Versicherungsbedingungen über die Erklärung eines Leistungsanerkenntnisses und die Folgen nur schwer durchschaubar. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, dass eine beiderseits interessengerechte Vereinbarung über die Leistungspflicht ein lauteres und vertrauensvolles Zusammenwirken der Vertragspartner voraussetzt, dass auf Ergebnisse abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen. Der Versicherer handelt u.a. dann objektiv treuwidrig, wenn er bei naheliegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Kulanzleistung hinausschiebt und so das gebotene Anerkenntnis unterläuft. Vereinbarungen mit derartigen Nachteilen sind deshalb nur in engen Grenzen möglich. Sie setzen eine noch unklare Sach- und Rechtslage voraus und erfordern vor ihrem Abschluss insbesondere klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers darauf, wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verhindert oder eingeschränkt werden (BGH, VersR 2007, 633; VersR 2007, 777; OLG Koblenz, VersR 2012, 85; Rixecker, VersR-Handbuch, 2. Auflage, § 46 Rn. 152; derselbe in Römer/Langheid, VVG, 4. Auflage, § 173 Rn. 12; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Auflage, Kapital J, Rn. 85).
Hier birgt die von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung von August 2008 für den Kläger den Nachteil, dass das völlige Offenlassen der Berufsunfähigkeit sich für den Kläger dann als nachteilig erwies, wenn er den Eintritt des Versicherungsfalls zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt hätte nachweisen können und ihm dies mit Ablauf der Befristung nicht mehr möglich ist. Bei einem Anerkenntnis des Beklagten hätte hingegen dieser im Nachprüfungsverfahren beweisen müssen, dass der Kläger nicht mehr berufsunfähig ist. Etwaige Zweifel gingen zu seinen Lasten. Das Offenlassen der Leistungspflicht des Beklagten in der Vereinbarung birgt für den Kläger mithin erhebliche Risiken, über die er im Zusammenhang mit der Vereinbarung nicht aufgeklärt wurde. Ob die Vereinbarung ansonsten interessengerecht war, bedarf deshalb keiner Prüfung. Jedenfalls kann sich der Beklagte nach Treu und Glauben auf die individualvertragliche Vereinbarung mit dem Kläger insoweit nicht berufen, als bei der Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit der Gesundheitszustand des Klägers im Zeitpunkt des Ablaufes der Befristung maßgeblich sein sollte.
bb) Allerdings wäre die auf die Verletzung von Belehrungspflichten gestützte Rechtsprechung nicht anzuwenden, wenn im Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen den Parteien im Jahre 2009 eine solche Belehrungspflicht des Beklagten nicht (mehr) bestanden hätte. Anlass dies in Zweifel zu ziehen, besteht auf Grund der mit dem VVG 2008 eingeführten Regelung in § 173 Abs. 2 Satz 1 VVG, wonach es dem Versicherer gestattet ist, ein Anerkenntnis einmal zeitlich begrenzt zu befristen. Wäre dem Beklagten im August 2009 eine einseitige Befristung eines Leistungsanerkenntnisses möglich gewesen, wäre er von der tatsächlichen Rechtslage durch den Abschluss der Vereinbarung mit dem Kläger nicht abgewichen und es hätte keine Belehrungspflicht bestanden. Denn eine nach dem Gesetz bei einem einseitigen befristeten Anerkenntnis nicht bestehende Belehrungspflicht kann nicht dadurch ausgelöst werden, dass der Versicherer die einseitige Befristungsmöglichkeit in eine Vereinbarung mit der versicherten Person kleidet. § 173 VVG ist gemäß Artikel 4 Abs. 3 EGVVG grundsätzlich auch auf Altverträge in der Berufsunfähigkeitsversicherung anwendbar. Da Artikel 4 Abs. 3 EGVVG die allgemeine Regelungen des Artikel 1 Abs. 2 und Abs. 3 EGVVG nicht durchbricht, ist § 173 VVG allerdings erst mit Ablauf der Übergangsfrist am 01.01.2009 auf Altverträge anwendbar bzw. dann nicht anwendbar, wenn der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist (Landgericht Berlin, VersR 2014, 1196; Looschelders in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar VVG, Artikel 4 EGVVG, Rn. 7; Armbrüster in Prölss/Martin, 29. Auflage, Artikel 4 EGVVG, Rn. 9).
Da der Versicherungsfall wie vom Kläger behauptet im Jahre 2008 eingetreten ist und die Parteien eine Leistungspflicht des Beklagten, beginnend im Jahre 2008, in ihrer Vereinbarung von August 2009 auch zu Grunde gelegt haben, war der Beklagte verpflichtet, dem Kläger bei Abschluss der Vereinbarung im Jahre 2009 auf die für den Kläger bestehenden Risiken hinzuweisen, mit der Folge, dass sich der Beklagte – wie ausgeführt – auf die Vereinbarung insoweit nicht berufen kann, als der Beurteilungszeitpunkt für das Entstehen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit derjenige des Ablaufs der Vereinbarung sein soll.
c) Bei Abstellen auf den Beurteilungszeitraum 2008 liegt bedingungsgemäße Berufungsunfähigkeit beim Kläger nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 03.03.2014 vor. Denn der Sachverständige hat beim Kläger eine depressive Störung diagnostiziert, die ihn tatsächlich ab Oktober 2006 für zumindest 6 Monate außerstande gesetzt hat, seinen Beruf als Stadtbahnfahrer noch zu mindestens 50 % auszuüben. Zwar – so hat der Sachverständige ausgeführt – habe eine Prognose bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zuverlässig gestellt werden können. Der tatsächliche Verlauf der Berufsunfähigkeit ab Oktober habe aber für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten nahe gelegen. Bei dieser Einschätzung hat sich der Sachverständige nicht nur auf seine eigene Beurteilung, sondern auch auf die Bewertung derjenigen Ärzte gestützt, die den Kläger seinerzeit behandelt haben und ihm Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hatten. Der Sachverständige hat auch berücksichtigt, dass der Kläger im April 2010 ausgesteuert worden ist, dass also ein Zeitraum von 78 Wochen bestehender Arbeitsunfähigkeit nach Einschätzung der die gesetzliche Krankenkasse beratenden Ärzte vorgelegen haben muss. Der Sachverständige hat auch berücksichtigt, dass in der Beurteilung der Ziegelfeldklinik vom 05. März 2009, in der zwischen dem 13. Januar 2009 und 24. Februar 2009 über 6 Wochen eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung beim Kläger durchgeführt worden ist, zum Zeitpunkt der Entlassung des Klägers eine ausreichende psychische Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit festgestellt worden ist. Er hat aber bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vom 23.10.2014 darauf hingewiesen, dass sich der Kläger in der Ziegelfeldklinik in einem beschützten Rahmen bewegt hat, der das berufliche Umfeld des Klägers nicht widerspiegelt. Er hat sich deshalb der Auffassung der Ärzte der Ziegelfeldklinik nicht angeschlossen, dass beim Zeitpunkt der Entlassung des Klägers dessen Berufsfähigkeit wieder hergestellt war.
II.
Da mithin Berufsunfähigkeit des Klägers im bedingungsgemäßen Ausmaß eingetreten ist, konnte die Leistungspflicht des Beklagten gemäß § 8 der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen erst wieder enden, wenn der Beklagte im Zuge des bedingungsgemäß vorgesehen Nachprüfungsverfahrens das Entfallen der Berufsunfähigkeit bewiesen hat.
1. Voraussetzung für eine wirksame Leistungseinstellung im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens ist zunächst die für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare begründete Einstellung der Leistungen. Der Wirksamkeit der Leistungseinstellungen steht nicht entgegen, dass diese erst im laufenden Rechtsstreit durch einen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgt ist. Denn die Leistungseinstellung kann im Prozess durch den Prozessbevollmächtigten des Versicherers (BGH, VersR 2000, 171), sogar im Deckungsprozess des Versicherungsnehmers (BGH, r+s 2010, 251) und auch – wie vorliegend – hilfsweise (BGH, VersR 1996, 958) für den Fall erklärt werden, dass das Gericht von einer bedingungsgemäß eingetretenen Berufsunfähigkeit mit Leistungspflicht des Versicherers ausgeht, ohne dass der Versicherer ein Anerkenntnis abgegeben hat.
2. Der Beklagte hat allerdings nicht bewiesen, dass beim Kläger wieder ein Zustand von Berufsfähigkeit eingetreten ist. Zu einer solchen Feststellung hat sich der Sachverständige Dr. F. bei Erstattung seines mündlichen Gutachtens im Termin vom 02.04.2015 nicht im Stande gesehen. Er hat dabei berücksichtigt, dass der Kläger ab 01.04.2011 bis zu einem Unfall im Jahre 2014 mit einer Stundenzahl von 19,5 Stunden wöchentlich bei einer zuvor bestehenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39,5 Stunden seine Tätigkeit als Stadtbahnfahrer wieder aufgenommen hat. Dazu hat der Kläger im Termin vom 02.04.2015 ausgeführt, dass er bereits dieses Ausmaß seiner Tätigkeit nur unter Raubbau an seiner Gesundheit hat ausführen können, um eine Existenzgrundlage für seine Familie zu erhalten. Er hat davon berichtet, dass er wegen der Arbeit unter Schlaflosigkeit zu leiden hatte und unter ständiger Angst, dass im Beruf wegen der damit einhergehenden Konzentrationsstörungen etwas passieren könne. Der Sachverständige hat diese Ängste als mit dem Krankheitsbild des Klägers vereinbar eingeschätzt. Er hat deshalb nicht feststellen können, dass der Kläger in der Lage war, jedenfalls mehr als die absolvierten 19,5 wöchentlichen Arbeitsstunden zu leisten, zumal der Kläger seinen Urlaub über die Wochen so verteilt hat, dass er den Belastungen der schon reduzierten Arbeitsleistung überhaupt noch gewachsen war. Damit ist dem Beklagten der Beweis nicht gelungen, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers geendet hat und wieder Berufsfähigkeit eingetreten ist, so dass die Leistungspflicht des Beklagten, die mit November 2008 eingesetzt hat, über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortdauert und der Beklagte antragsgemäß zu Erbringung der vertraglich vereinbarten Rente und Beitragsbefreiung nebst Zahlung der nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten zu verurteilen war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.